Es ist ein Begriff, der die Herzen von Fans höherschlagen lässt und in den Medien fest etabliert ist: die „Welttournee“. Wer die Tourdaten der größten westlichen Musikstars genauer unter die Lupe nimmt, stellt jedoch schnell eine kuriose Diskrepanz fest. Was als weltumspannendes Ereignis angekündigt wird, entpuppt sich oft als eine Tournee, die sich fast ausschließlich auf den Westen konzentriert.
Der Hauptteil der Konzerte findet in den USA und Kanada, in West- und Mitteleuropa sowie in Australien und Neuseeland statt. Manchmal kommt noch Japan hinzu. Doch Orte wie Indien, Vietnam, der afrikanische Kontinent, große Teile Südamerikas oder gar der Nahe Osten bleiben oft weiße Flecken auf der musikalischen Landkarte. Eine Tournee von Depeche Mode in Indien oder Rammstein in Vietnam? Ein unrealistisches Szenario, das die Logik des Begriffs „Welttournee“ ad absurdum führt.
Das Kalkül hinter der Illusion
Die Gründe für diese selektive Reiseroute sind vielfältig und haben wenig mit der musikalischen Leidenschaft zu tun. Es ist eine Frage des Kalküls.
- Wirtschaftlichkeit: Der Aufbau einer riesigen Konzertbühne und der Transport einer 100-köpfigen Crew über den halben Globus sind teuer. Westliche Länder bieten eine etablierte Infrastruktur, ein zahlungskräftiges Publikum und geringere logistische Hürden. In vielen anderen Regionen sind die potenziellen Einnahmen oft nicht hoch genug, um die enormen Kosten zu rechtfertigen.
- Marktdurchdringung: Viele westliche Künstler haben in Schwellenländern keine so breite Fanbasis wie in den USA oder Europa. Die Musik mag über Streaming-Dienste verfügbar sein, aber die kulturelle Verankerung fehlt. Ein Massenpublikum, das bereit ist, hohe Ticketpreise zu zahlen, ist oft nicht vorhanden.
Die Ausnahmen, die die Regel bestätigen
Trotz dieser harten Realitäten gibt es Ausnahmen, die beweisen, dass eine wahre Welttournee möglich ist. Michael Jackson war einer der Pioniere. Seine Konzerte in Brasilien, Indien oder Asien waren nicht nur Konzerte, sondern kulturelle Ereignisse. Seine Musik überwand kulturelle und geografische Grenzen.
Ein weiteres Beispiel ist Jean-Michel Jarre. Mit seinen spektakulären Shows an Orten wie den Pyramiden in Ägypten oder in der Wüste von China hat er bewiesen, dass Musik eine universelle Sprache ist, die jenseits des westlichen Marktes Menschenmassen anziehen kann.
Diese Künstler waren jedoch nicht nur Musiker, sondern Visionäre. Sie verstanden, dass eine „Welttournee“ mehr ist als eine geografische Abdeckung – sie ist eine Geste des kulturellen Austauschs und der globalen Verbundenheit.
Ein ehrlicherer Titel: „Westliche Welttournee“
Die meisten modernen Künstler und ihre Agenturen ziehen es vor, auf Nummer sicher zu gehen. Das Ergebnis ist eine Art „Westliche Welttournee“, die den Begriff „Welt“ auf einen kleinen, wirtschaftlich lukrativen Teil des Planeten reduziert.
Am Ende ist es eine Frage der Ehrlichkeit. Vielleicht wäre es an der Zeit, den Begriff „Welttournee“ neu zu definieren oder einfach einen ehrlicheren Titel zu wählen. Denn solange die Tournee nur die bereits erschlossenen Märkte abdeckt, ist sie weniger eine Welttournee und mehr eine globale Illusion.
