Wer glaubt, „weibliche Stimme“ sei im Mix ein feststehender Begriff wie „Bassdrum“, hat noch nie versucht, eine knödelige Alt-Stimme gegen eine schillernde Pop-Sirene im Mix durchzusetzen. In der modernen Popmusik begegnen uns drei völlig unterschiedliche Charaktertypen, die jeweils nach einer ganz eigenen Behandlung am Equalizer verlangen. Vergessen Sie die „One-Size-Fits-All“-Presets – hier sind die drei klassischen Methoden für die gängigsten Stimm-Modelle.

1. Das Modell „Die Sirene“: Luft, Luxus und laszive Obertöne

Dies ist der Standard im modernen Radio-Pop. Die Stimme klingt teuer, hell und schwebt über dem Beat. Sie hat diese seidigen Höhen, die uns das Gefühl geben, in rosa Wolken zu liegen.

  • Die Methode: Hier ist Zurückhaltung bei den Mitten gefragt. Wir setzen einen High-Shelf-Filter (Kuhschwanzfilter) dezent ab etwa 8 bis 10 kHz an, um den „Air“-Faktor zu betonen. Der kritische Bereich liegt zwischen 200 und 400 Hz – hier nehmen wir oft ein wenig „Muff“ raus, damit die Stimme nicht zu dick wirkt.
  • Der Clou: Damit die lasziven Obertöne nicht in den Ohren wehtun, müssen wir die Sibilanten (S-Laute) mit einem De-Esser im Zaum halten, während der EQ obenrum glänzt. Das Ziel: Die Stimme soll klingen wie ein Champagner-Aperitif – prickelnd, leicht und ein bisschen abgehoben.

2. Das Modell „Die Knödelstimme“: Der Kampf gegen den fiktiven Kloß

Man kennt sie: Stimmen, die klingen, als hätte die Sängerin beim Aufnehmen noch eine halbe Portion Pasta im Rachen oder würde krampfhaft versuchen, besonders „soulig“ zu drücken. Das Ergebnis ist ein extrem präsenter Grundtonbereich, der alles andere im Mix erschlägt.

  • Die Methode: Chirurgie ist angesagt. Wir suchen im Bereich von 500 bis 800 Hz nach der „Nasalität“ oder dem „topfigen“ Klang. Hier ziehen wir schmalbandig (hoher Q-Wert) Energie raus. Gleichzeitig geben wir bei 3 bis 5 kHz einen ordentlichen Push für die Sprachverständlichkeit, um die Stimme aus dem Rachen nach vorne an die Lippen zu holen.
  • Humoristischer Rat: Wenn es immer noch knödelt, hilft kein EQ der Welt – dann hilft nur, den Song als „experimentellen Indie-Folk“ zu deklarieren oder die Sängerin höflich zu bitten, beim nächsten Take den imaginären Kloß herunterzuschlucken.

3. Das Modell „Die Raucherstimme“: Charaktervolles Reiben und tiefe Täler

Das ist die Stimme, die nach Whiskey, späten Nächten und mindestens drei Schachteln filterloser Zigaretten klingt. Sie hat Dreck, sie hat Reibeisen, aber oft fehlt ihr die Durchsetzungskraft gegen die Synthesizer-Wand.

  • Die Methode: Bloß nicht zu viel wegschneiden! Die Wärme und das „Rauhe“ sitzen in den unteren Mitten (250 bis 600 Hz). Wenn wir hier zu viel aufräumen, klingt die Rock-Röhre plötzlich wie ein dünner Piepsmatz. Stattdessen nutzen wir einen Low-Cut (High-Pass), um den Trittschall unter 80-100 Hz zu eliminieren, und betonen die Textur des Kratzens mit einem breiten Boost bei 1,5 bis 2,5 kHz.
  • Das Ziel: Wir wollen den Schmutz behalten, aber die Artikulation schärfen. Eine Raucherstimme darf nicht klingen wie eine Sirene – sie muss klingen wie eine Frau, die eine Geschichte zu erzählen hat, und der EQ soll lediglich sicherstellen, dass man ihr trotz des verrauchten Ambientes auch zuhört.

EQing bei Vocals ist kein technisches Diktat, sondern eine Charakterstudie. Ob wir die Sirene polieren, den Knödel entfernen oder das Reibeisen schärfen: Am Ende entscheidet das Ohr, nicht die Kurve auf dem Bildschirm. Und wenn alles nichts hilft? Dann drehen wir einfach den Hall auf und nennen es „Shoegaze“.