Wer einen modernen Bandübernahme- oder Künstlerexklusivvertrag liest, stößt auf eine Sprache, die Neutralität suggeriert, aber oft einseitige Machtverhältnisse zementiert. Für den Künstler ist es überlebenswichtig, die „Trigger-Begriffe“ zu kennen, die über finanzielle Freiheit oder lebenslange Verschuldung entscheiden. Dieser Artikel schlüsselt die gefährlichsten Begriffe auf, die in keinem juristischen Gutachten fehlen dürfen.

1. „Commercially Satisfactory“ (Kommerziell zufriedenstellend)

Dies ist die wohl subjektivste und gefährlichste Klausel im Bereich der künstlerischen Freiheit.

  • Die Bedeutung: Das Label behält sich das Recht vor, eine Aufnahme abzulehnen, wenn sie nach ihrer Einschätzung kein Hit-Potenzial hat.
  • Die Gefahr: Selbst wenn du ein technisch perfektes Album ablieferst, kann das Label die Veröffentlichung verweigern, dich aber gleichzeitig im Vertrag festhalten. Du bist „geparkt“ (Shelfing). Bestehe auf dem Begriff „Technically Satisfactory“, was lediglich bedeutet, dass die Aufnahme professionell produziert wurde.

2. „In Perpetuity“ (Für alle Ewigkeit)

Ein Begriff, der direkt aus dem mittelalterlichen Lehnswesen zu stammen scheint, aber im US-amerikanischen und internationalen Recht Standard ist.

  • Die Bedeutung: Die Rechte an deinen Aufnahmen gehören dem Label für immer.
  • Die Gefahr: In Deutschland gibt es zwar Urheberpersönlichkeitsrechte, die nicht übertragbar sind, aber die Nutzungsrechte können für die gesamte Schutzfrist abgetreten werden. Ziel sollte immer ein „Reversion Clause“ sein: Nach einer festgelegten Zeit (z. B. 10–15 Jahre) müssen die Rechte an den Künstler zurückfallen.

3. „Accounting Unit“ (Abrechnungseinheit)

Klingt nach trockener Buchhaltung, entscheidet aber über dein Bankkonto.

  • Die Bedeutung: Hier wird definiert, welche Einnahmequellen miteinander verrechnet werden dürfen.
  • Die Gefahr: Wenn die „Accounting Unit“ zu breit gefasst ist, fließen Einnahmen aus deinem Merchandising in das Loch deiner nicht eingespielten Videokosten. Jede Einnahmequelle sollte eine eigene, isolierte Abrechnungseinheit bilden.

4. „Controlled Composition Clause“

Ein Relikt aus der physischen Ära, das im Streaming-Zeitalter oft missbraucht wird.

  • Die Bedeutung: Das Label begrenzt die mechanischen Tantiemen, die es für Songs zahlt, die du selbst geschrieben hast.
  • Die Gefahr: Das Label zahlt dir weniger für deine eigenen Songs als gesetzlich üblich wäre. Im Grunde bestraft dich das Label dafür, dass du dein eigener Songwriter bist. Streiche diese Klausel komplett.

5. „Packaging Deduction“ (Verpackungsabzug)

Ein wahrer Anachronismus, der in digitalen Verträgen absolut nichts zu suchen hat.

  • Die Bedeutung: Ein prozentualer Abzug (oft 20–25 %) vom Verkaufspreis für die Kosten der CD-Hülle oder des Kartons.
  • Die Gefahr: Viele Labels versuchen, diesen Abzug auch auf digitale Streams und Downloads anzuwenden, wo es faktisch keine Verpackungskosten gibt. Das ist reine Gewinnmaximierung auf Kosten deines Anteils.

6. „Audit Rights“ (Prüfungsrechte)

  • Die Bedeutung: Dein Recht, die Bücher des Labels durch einen Wirtschaftsprüfer kontrollieren zu lassen.
  • Die Gefahr: Viele Verträge schränken dieses Recht so stark ein (z. B. nur alle 2 Jahre, nur innerhalb von 6 Monaten nach Abrechnung), dass eine Prüfung faktisch unmöglich oder zu teuer wird. Achte darauf, dass das Label die Kosten der Prüfung übernehmen muss, wenn eine Unterzahlung von mehr als 5–10 % festgestellt wird.

7. „Power of Attorney“ (Vollmacht)

  • Die Bedeutung: Du gibst dem Label das Recht, in deinem Namen Dokumente zu unterschreiben.
  • Die Gefahr: Wenn diese Vollmacht zu weit gefasst ist (Irrevocable Power of Attorney), kann das Label Deals für dich abschließen oder Rechte abtreten, ohne dass du davon erfährst. Diese Vollmacht sollte immer auf das absolut Notwendige begrenzt und widerrufbar sein.

Für die Praxis

Ein Vertrag ist kein in Stein gemeißeltes Schicksal, sondern eine Verhandlungsgrundlage. Die Verleger und Labels agieren oft wie das „skalierbare Startup“, das wir bei Beethoven gesehen haben: Sie optimieren Prozesse und minimieren Kosten. Der Künstler muss im Gegenzug als sein eigener „Rechts-Architekt“ agieren. Markiere diese Begriffe rot, stelle Fragen und denke daran: Der beste Deal ist manchmal der, den man nicht unterschreibt.